Die Stimmung während der Heim-EM glich einer Neuauflage des Sommermärchens der Fußball-WM 2006. Doch wirkte sich die Fußball-EM auch positiv auf die hiesige Wirtschaft aus? Es ist an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen.
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Positive Bilanz einiger Gastronomiebetriebe
„Es war ein wunderbares, friedliches und freundliches Fest“: So die Worte von Valerie Seifert, der Wirtin des Bornheimer Dorfstadels in Frankfurt. Die Gastwirtin ist nicht nur von der „Mega-“ Stimmung begeistert, die während des vierwöchigen Fußball-Ereignisses in Deutschland herrschte. Ihrer Aussage zufolge hat sich das Geschäft gelohnt. Sogar an Spieltagen ohne die deutsche Nationalmannschaft habe „der Laden gebrummt“.
Doch um von den wirtschaftlichen Erfolgen zu profitieren, investierte die Gastronomin auch Geld und Mühen.
Speziell für die Europameisterschaft kaufte Valerie Seifert so große Fernseher, dass diese bald von einem zum anderen Ende der Innenräume reichten. Zudem entschied sich die Gastwirtin für große und leistungsfähige Boxen, damit auch Zuschauer auf den hinteren Sitzbänken das EM-Feeling hautnah fühlen konnten.
Gegensätzliche Erfahrungen
Allerdings bewerten nicht alle Gastronomen die EM-Bilanz so positiv. Wenige hundert Meter vom Dorfstadel ist die Traditionskneipe „Gambrinus am Eck“ entfernt, deren Gastgeberin von der Fußball-EM „etwas mehr erwartet“ hätte.
Dafür ist möglicherweise das frühzeitige Ausscheiden der tschechischen Nationalmannschaft verantwortlich. Denn in dem Etablissement erhalten hungrige Gäste Spezialitäten wie böhmische Küche oder tschechisches Kozel-Bier. Nur bei Spielen der deutschen Nationalelf sei der Umsatz etwas höher gewesen.
Garant für gute Laune
Diese Fazits des Gastgewerbes aus Frankfurt stehen exemplarisch für das Resümee, welche das Gastgewerbe und große Branchenverbände des Einzelhandels ziehen. Während viele Dienstleister über die Umsätze sehr zufrieden sind, hätten sich andere noch höhere Einnahmen erhofft. Dennoch bestätigen alle Gastgeber, dass die Fußball-EM überall gute Laune erzeugte und Grund für viele Kaufanlässe war.
Wie Vertreter des Handelsverbandes bestätigten, machte sich dieser Trend in erster Linie im Bereich der Lebensmittel oder Fanartikel bemerkbar.
Für viele Branchenvertreter war die Heim-EM deshalb ein wirtschaftlicher Volltreffer.
Mangelnde Umsatzzuwächse in vielen Unternehmen
Eine andere Bilanz zieht der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband. Aus einer Umfrage des Verbands DEHOGA unter über 2.500 Mitgliedsunternehmen geht hervor, dass nur rund 8,1 Prozent aller gastronomischen Unternehmen von der Fußball-EM profitiert haben.
Demgegenüber erklärten 88 Prozent aller Umfrageteilnehmer, keine Umsatzzuwächse verzeichnet zu haben. Die Firmen wurden von Anfang bis Mitte Juli deutschlandweit befragt. Dennoch gibt es einige Unterschiede. Aus der Umfrage kristallisiert sich dennoch heraus, dass etwa ein Drittel aller Bars, Kneipen und Biergärten höhere Umsätze verzeichnen konnte.
Diese Effekte beschränken sich jedoch auf Städte, die als Schauplatz der EM-Spiele dienten. In diesen Metropolen erreichten rund 17,5 Prozent aller Unternehmen positive Effekte. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ist der Anteil an gastronomischen Unternehmen mit einer positiven Bilanz demzufolge doppelt so hoch.
Wie ist die Situation für Bierbrauer?
Unter Bierbrauern liegen noch keine aktuellen Statistiken für den wirtschaftlichen Absatz während der Europameisterschaft vor. Allerdings geben erste Tendenzen nur wenig Grund zur Hoffnung. Häufige Unwetter und das Auf und Ab der Temperaturen verdarben vielen Gastwirten das Geschäft. Die dadurch erzeugte Konsumzurückhaltung machte sich in den Zahlen bemerkbar.
Diese Konsumzurückhaltung macht dem Gastgewerbe generell zu schaffen. Es bleibt abzuwarten, ob sich an der wirtschaftlichen Situation durch Olympia etwas ändert.
Erfahrungen vergangener sportlicher Großevents
Vermutlich werden noch einige Tage vergehen, bis endgültige Statistiken über Effekte der Europameisterschaft auf verschiedene Branchen vorliegen. Doch für viele Konjunkturexperten kommen die derzeitigen Tendenzen nicht überraschend.
Wie der Blick in die Vergangenheit beweist, haben sportliche Großereignisse die hiesige Wirtschaft auch in den vergangenen Jahrzehnten kaum beeinflusst.
Ein Beispiel war die WM 2006. Stattdessen verschieben sich die Konsumausgaben der Verbraucher. Das bedeutet, dass sie möglicherweise selbst neue und größere Fernsehgeräte erwerben und Freunde zum Fußballschauen nach Hause einladen. Dadurch entfällt Public Viewing. Vielleicht sparen Fußballfans auch an dem einen oder anderen Kinobesuch. Die Konsumausgaben verändern sich daher nur.
Wenige Effekte im Kampf gegen die Rezession
Aus ganz Europa anreisenden Gästen gelang es daher nicht, Deutschland aus der Rezession zu holen. Möglicherweise führten die Verschiebungen auch nur dazu, dass andere Touristen verdrängt wurden. Ein gutes Beispiel sind Hotelzimmer, welche die Betreiber eben nur einmal vergeben können.
Etwas Hoffnung gibt es dennoch, da der psychologische Effekt einer solch sportlichen Großveranstaltung ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Bei guter Stimmung ist ein solcher Event eine wunderbare Gelegenheit, das Image des Gastgeberlandes aufzuwerten. Diese Imagepflege könnte sich ebenfalls dauerhaft positiv auf die Wirtschaft eines Landes auswirken.