Die meisten Menschen schleppen sich Jahrzehnte lang durch den Berufsalltag, während der Renteneintritt wie eine Fata Morgana in weiter Ferne schimmert. Andere jedoch haben keine Lust, so lange zu warten. Sie sparen, investieren und verabschieden sich früher vom Arbeitsleben.
Frugalismus nennt sich dieses Prinzip und beschreibt einen Mix aus Minimalismus, eiserner Finanzdisziplin und dem großen Ziel, nicht mehr auf einen Job angewiesen zu sein. Diese Vorstellung ist für die meisten arbeitenden Menschen enorm verlockend, aber es bedarf auch radikalen Verzichts, wenn das Ziel erreicht werden soll. Ist dieser Lebensstil wirklich der heilige Gral der finanziellen Freiheit oder doch nur eine Selbstkasteiung in schicker Verpackung?
Inhaltsverzeichnis
Was genau ist Frugalismus und warum tun sich Menschen das an?
Frugalismus bedeutet nicht nur, weniger auszugeben. Es ist eine Lebenseinstellung, die Konsum hinterfragt und das eigene Finanzverhalten komplett auf den Kopf stellt. Weniger Shopping, mehr Sparen. Weniger Krempel, mehr Freiheit. Die Grundidee ist einfach: Je niedriger die Ausgaben, desto schneller kann ein finanzielles Polster aufgebaut werden, das irgendwann ausreicht, um ohne Gehalt auszukommen.
Das Ganze ist nicht neu, wurde aber durch die FIRE-Bewegung „Financial Independence, Retire Early“ populär. Die Anhänger dieser Strategie sparen einen Großteil ihres Einkommens und investieren es in gewinnbringende Anlagen, bis ihr Kapital groß genug ist, um sie dauerhaft zu finanzieren. Klingt nach einem Plan, doch dahinter steckt mehr als nur eiserne Disziplin.
Für manche bedeutet dieser Lebensstil Unabhängigkeit. Kein Chef, keine Montagmorgen-Meetings, kein Zittern um Gehaltserhöhungen.
Andere reizt die Idee, weniger materielle Dinge zu besitzen und dadurch bewusster zu leben. Was bringt das neueste Smartphone, wenn dafür ein weiteres Jahr im Bürostuhl abgesessen werden muss?

Sparquote, Investieren, Minimalismus – Die drei Säulen des Frugalismus
Dieses Lebensmodell ruht auf drei stabilen Pfeilern, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.
Sparquote hoch, sehr hoch
Während viele sich glücklich schätzen, wenn am Monatsende zehn Prozent des Gehalts übrig bleiben, setzen Frugalisten die Latte deutlich höher. Fünfzig Prozent sind keine Seltenheit, manche sparen sogar siebzig Prozent. Klingt brutal? Ist es auch. Doch genau das beschleunigt den Weg zur finanziellen Freiheit.

Geld nicht bunkern, sondern vermehren
Sparen allein reicht nicht. Das Gesparte muss arbeiten. Anstatt das Geld auf einem Konto versauern zu lassen, wird es in Aktien, ETFs oder Immobilien gesteckt.
Das Ziel ist klar, viel Rendite erwirtschaften, bis das Kapital groß genug ist, um den Lebensunterhalt dauerhaft zu decken.
Minimalismus als Schlüssel zur Freiheit
Weniger Zeug bedeutet weniger Ausgaben. Doch statt in völliger Selbstkasteiung zu enden, geht es eher darum, bewusster zu konsumieren. Braucht es wirklich jedes Jahr das neueste Auto? Muss jede modische Welle mitgeritten werden? Die Antwort liegt für Frugalisten oft auf der Hand.

Praktische Spartipps – so bleibt mehr Geld übrig
Sparen klingt einfach. Weniger ausgeben, mehr behalten. Die Realität liegt zwischen steigenden Fixkosten, spontanen Anschaffungen und cleverem Marketing, das den nächsten „unverzichtbaren“ Kauf suggeriert, bleibt am Monatsende oft weniger übrig als geplant. Doch genau hier zeigt sich, wie Frugalismus funktioniert.
Es geht nicht darum, sich alles zu verweigern, sondern Geld gezielt dort auszugeben, wo es echten Mehrwert bringt und an anderer Stelle radikal zu sparen.
Gebraucht statt neu – warum alles doppelt zahlen?
Neu heißt nicht immer besser. In den meisten Fällen bedeutet es vor allem eins, und zwar teurer. Gebrauchte Möbel, Elektronik oder Kleidung kosten oft nur einen Bruchteil des Neupreises und sehen trotzdem aus wie frisch aus dem Laden. Online-Marktplätze, Secondhand-Läden oder Kleinanzeigen-Plattformen sind wahre Goldgruben für hochwertige Produkte, die jemand anders loswerden will.
Technik lohnt sich gebraucht besonders. Ein Smartphone, das ein Jahr alt ist, kostet oft nur die Hälfte des ursprünglichen Preises. Wer ein Auge auf generalüberholte Geräte hat, spart noch mehr, oft mit voller Garantie und kaum sichtbaren Gebrauchsspuren.

Mieten, teilen, leihen – nicht alles muss ins Eigentum
Ein Auto steht durchschnittlich 23 Stunden am Tag herum. Werkzeuge werden oft einmal genutzt und landen dann im Keller. Trotzdem wird beides oft neu gekauft. Carsharing ersetzt den teuren Autobesitz, Werkzeugbibliotheken sparen den Kauf einer Bohrmaschine, die sonst nur Staub ansetzt. Streaming-Abos müssen nicht dauerhaft laufen. Viele Plattformen bieten Probezeiträume oder flexible Monatsmodelle an.
Wer sich mit Freunden oder Familie zusammenschließt, zahlt nur einen Bruchteil der regulären Kosten.
Kostenlos ist besser als billig – die unterschätzten Gratisangebote
Geld ausgeben ist leicht, aber oft gibt es Alternativen, die keinen Cent kosten. Öffentliche Bibliotheken sind längst nicht mehr nur für Bücher da, sondern bieten Filme, Hörbücher, Zeitungen und manchmal sogar Spielekonsolen zur Ausleihe an. Auch Volkshochschulen und Kulturzentren veranstalten regelmäßig kostenlose Workshops, die sonst viel Geld kosten würden.
Wer online einkauft, kann ebenfalls viel sparen, entweder durch Coupons und Gutscheine oder durch gratis Produkte, so kann man Kostenloses bei Mein Deal abstauben und das gesparte Geld für die Altersvorsorge aufwenden. Bei Software gilt das Gleiche, denn Bildbearbeitung, Cloud-Dienste, Büro-Programme werden benötigt, aber für fast alles gibt es eine kostenlose Version, die in vielen Fällen zumindest bei den Grundfunktionen genauso gut funktioniert wie die teuren Profi-Alternativen.

Lebensmittelkosten im Griff haben – ohne auf Genuss zu verzichten
Essen ist einer der größten Ausgabeposten und oft ist es genau hier, wo sich schnell mehrere hundert Euro im Monat einsparen lassen. Wochenpläne helfen, gezielt einzukaufen, statt sich im Supermarkt von spontanen Gelüsten leiten zu lassen.
Große Packungen sind günstiger, aber nur, wenn sie tatsächlich verbraucht werden.
Foodsharing-Apps und Supermärkte mit Rabattaktionen für bald ablaufende Lebensmittel sind wahre Geldmagneten. Viele Bäckereien und Restaurants verkaufen übrig gebliebene Ware abends für einen Bruchteil des normalen Preises.
Verträge, Abos und Versicherungen – der stille Geldabfluss
Abos, die einmal abgeschlossen wurden und dann im Hintergrund weiterlaufen, wie Streaming-Dienste, Fitnessstudios und Zeitschriften sind alle schön bequem, aber oft unnötig. Einmal durch alle laufenden Verträge zu gehen, bringt oft erstaunliche Einsparungen. Versicherungen sind ein weiteres Sparpotenzial, denn viele zahlen jahrelang für Tarife, die längst überholt sind. Ein Vergleich kann schnell mehrere hundert Euro im Jahr sparen. Dasselbe gilt für Handyverträge. Wer jahrelang den gleichen Tarif nutzt, zahlt meist mehr, als nötig wäre.
Die folgenden Bereiche sollte also jeder überprüfen, denn dort verbirgt sich eventuell viel Sparpotenzial:
- Miete & Wohnkosten
- Versicherungen & Verträge
- Handy & Internet
- Lebensmittel & Einkäufe
- Abos & Mitgliedschaften
- Auto & Mobilität
- Energie & Nebenkosten
- Freizeit & Unterhaltung
- Urlaub & Reisen
- Bankgebühren & Kredite

Wie viel Geld braucht es, um den Job an den Nagel zu hängen?
Ein paar Jahre eisern sparen und dann nie wieder arbeiten klingt eher wie ein Traum, hat aber einen entscheidenden Haken. Es reicht nicht einfach, ein dickes Polster auf dem Konto zu haben, denn das Geld muss so angelegt sein, dass es auch in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren noch reicht.
Die Faustregel der Frugalisten besagt, dass das Vermögen das 25-Fache der jährlichen Ausgaben betragen sollte. Wer mit vierzigtausend Euro im Jahr klarkommt, benötigt also eine Million Euro, um nicht mehr arbeiten zu müssen, aber diese Rechnung funktioniert nur, wenn das Kapital nicht einfach auf dem Sparbuch liegt und von der Inflation langsam aufgefressen wird.
Zusätzlich gibt es die Vier-Prozent-Regel und sie besagt, dass jährlich vier Prozent des Ersparten ausgegeben werden können, ohne dass das Kapital zu schnell schrumpft.
Die Idee dahinter: Gut angelegte Investments werfen langfristig höhere Renditen ab, als entnommen wird, aber nur, wenn die Finanzmärkte mitspielen. Ein Börsencrash oder eine unerwartet hohe Inflation kann schnell für schlaflose Nächte sorgen, wenn das Vermögen nicht breit gestreut ist.
Änderungen mit einberechnen
Deshalb reicht es nicht, einfach nur zu sparen, eine stabile Investitionsstrategie ist unerlässlich, um finanzielle Unabhängigkeit langfristig zu sichern. ETFs gelten als Favorit unter Frugalisten, weil sie auf lange Sicht solide Renditen liefern und gleichzeitig das Risiko minimieren. Immobilien können ebenfalls ein verlässliches Standbein sein, allerdings nur, wenn die laufenden Kosten niedrig gehalten werden.
Ein weiterer Punkt, der gerne übersehen wird, ist, dass Lebenshaltungskosten keine fixe Größe sind. Ein günstiger Lebensstil mit Mitte 30 ist kein Garant dafür, dass sich die Ausgaben mit 60 oder 70 nicht verändern. Gesundheitliche Kosten, Inflation oder schlicht der Wunsch, doch ein wenig komfortabler zu leben, können das ursprünglich angesetzte Budget sprengen. Wer langfristig unabhängig bleiben will, muss also nicht nur genug ansparen, sondern auch flexibel bleiben, finanziell und mental.

Herausforderungen und Risiken – was, wenn der Plan nicht aufgeht?
Nicht alles an diesem Konzept ist so einfach, wie es klingt. Ein großes Problem ist die mentale Belastung. Während andere sich über spontane Städtetrips oder neue Gadgets freuen, bedeutet Frugalismus Verzicht. In einer Gesellschaft, die oft über Statussymbole funktioniert, ist es nicht leicht, die Extrameile für den späteren finanziellen Vorteil zu gehen.
Hinzu kommt das Risiko, dass der Plan nicht aufgeht. Finanzmärkte sind launisch, Inflation kann die Kaufkraft verringern und unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit oder wirtschaftliche Krisen können das mühsam aufgebaute Vermögen ins Wanken bringen.
Fazit – ist Frugalismus wirklich der ultimative Weg zur Freiheit?
Dieser Lebensstil hat seine Reize. Wer früh genug ein beachtliches Vermögen anhäuft, kann ein Leben ohne Sorgen um die Finanzen führen. Keine Meetings, keine Überstunden, keine Gehaltsverhandlungen mehr. Doch der Weg dorthin ist steinig, es bedeutet jahrelange Disziplin, bewusste Entscheidungen und oft auch den Verzicht auf Dinge, die andere als selbstverständlich betrachten.
Nicht jeder fühlt sich mit diesem Lebensstil wohl. Manche wollen lieber hier und jetzt genießen, anstatt sich jahrzehntelang finanziell einzuschränken. Andere hingegen schätzen die Idee, ihr Leben nicht nach einem Arbeitsvertrag zu gestalten, sondern nach ihren eigenen Regeln. Am Ende ist es eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen und keine, die sich leichtfertig treffen lässt.