Schenkt man Aussagen von Wissenschaftlern Glauben, tragen gesellschaftliche Trendwenden effizient zum Klimaschutz bei. Ein internationales Forscher-Team benennt hierfür sechs Bereiche, darunter Bildung, Finanzwelt und Energie. Tiefgreifende Änderungen seien erforderlich, um den globalen Treibhausgasausstoß bis 2050 auf Null zu reduzieren.
Darauf verweist eine am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung tätige Gruppe, die nach einer umfassenden Analyse von Expertenvorschlägen etwaige Wege und Trendwenden aufzeigt.
Inhaltsverzeichnis
Details zur Studie
Die von einem Team rund um den einstigen PIK-Direktor Hans-Joachim Schellnhuber durchgeführte Untersuchung wurde in der Fachzeitschrift „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht. Basierend auf dieser Studie kristallisieren sich folgende Vorschläge heraus.
Konzeptänderung von Städten
Von Gebäuden ausgehende direkte sowie indirekte Emissionen sind weltweit für rund 20 Prozent der Treibhausgasausstoße verantwortlich.
Forscher empfehlen große Bauprojekte, die klimafreundliches Bauen demonstrieren.
Die Rede ist beispielsweise von großen Gebäuden, die durch eine überwiegende Bauweise aus laminiertem Holz viele Tonnen weniger an Kohlendioxid erzeugen. Zusätzlich bieten öffentliche Infrastrukturen von Städten ein massives CO2-Einsparpotential.
Maßnahmen zur Energieerzeugung
Zur Durchsetzung neuer Maßnahmen für Energieerzeugung ist eine Abkehr von fossilen Brennstoffen erforderlich. An dieser Stelle ist die Unterstützung durch die Politik gefragt.
Im Jahr 2015 waren Subventionen für Erdgas, Erdöl und Kohle noch etwa doppelt so hoch wie für erneuerbare Energien. Zusätzlich raten die Wissenschaftler an, einen Umbau dezentraler Energieversorgung zu forcieren – beispielsweise durch Wind- und Solarkraft.
Normen und Werte
Die Forscher bewerten es als „unmoralisch“, eine Erderwärmung auf weniger als zwei Grad mit fossilen Brennstoffen zu erzeugen, die nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen.
Diese Handlungsweise könne unnötige und folgenschwere Schäden verursachen.
Wie PIK-Direktor Johan Rockström betont, sind erforderliche grundlegende Verhaltensänderungen noch nicht in der Gesellschaft verankert. Diesbezüglich ist Handlungsbedarf gefragt.
Einflussnahme auf Finanzsystem
Betrachten Investoren ihre Unterstützung bei fossilen Brennstoffen nicht mehr als rentabel, könnten sie ihre Gelder für diese Branche kürzen. Simulationen zufolge würden neun Prozent an zurücktretenden Investoren genügen, um noch mehr Investoren zu diesem Rücktritt zu animieren.
Erste Anzeichen für diesen Trend machen sich nach Aussagen der Wissenschaftler bereits bemerkbar, beispielsweise durch eine Kürzung versicherungstechnischer sowie finanzieller Unterstützung von Kohleprojekten.
Mehr Informationen für Verbraucher
Um einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten, sind nach Einschätzung der Forscher auch mehr Informationen für Verbraucher erforderlich.
Diese Informationen könnten beispielsweise Angaben über Treibhausgas-Ausstöße für eine Produktion der Waren je Packung betreffen.
Die Mitteilungen sollen Menschen dabei unterstützen, einen klimaneutralen Lebensstil zu forcieren.
Konzentration auf das Bildungssystem
Wie die Studienautoren betonen, kann Nachhaltigkeit nicht auferlegt werden. Stattdessen muss Nachhaltigkeit erlernt werden.
Die Wissenschaftler schlagen deshalb vor, eine klima- und umweltbewusste Lebensweise in den Schulunterricht zu integrieren. Ihrer Meinung nach trägt Bildung in hoher Qualität dazu bei, Werte und Normen zu erweitern und dadurch Verhaltensänderungen zu erzeugen.
Reaktionen anderer Wissenschaftler
Zu dieser Thematik äußern sich ebenfalls andere Wissenschaftler. So betont Andreas Ernst von der Universität Kassel, dass er mithilfe von Social Tipping Interventions gesellschaftliche Optionen umsteuern möchte.
Werden entsprechende Maßnahmen an der richtigen Stelle platziert, könnten sich die Aktivitäten maßgeblich auf Erfolge zur Bewältigung der Klimaerwärmung auswirken.
Darüber ist sich der Professor für Umweltanalyse/Umweltpsychologie und Stellvertretende Geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research sicher. Eine Konzentration auf eine positive soziale Dynamik rund ums Thema Klimawandel sei zwar eine positive Entwicklung. In den Augen von Ernst ist es allerdings neu, dass weitreichende Veränderungen durch bestimmte Interventionen ausgelöst werden können.
Bleibt abzuwarten, inwiefern diese Maßnahmen durchgeführt werden und fruchten. Schließlich wurden bereits erste kritische Stimmen laut, denen zufolge die aufgeführten Empfehlungen nur von vergleichsweise wenigen Personen vorgenommen wurden.