Vor allem in der Frühlingszeit geraten Mitarbeiter von Wildtierhilfen oder Auffangstationen immer wieder an ihre Grenzen. Tag und Nacht sind die Tierfreunde damit beschäftigt, kleine Vogelküken zu pflegen, aufzuziehen und danach wieder auszuwildern.
Das Beschäftigungsfeld der Experten ist besonders umfassend. Schließlich sind die Tierspezialisten ebenfalls darum bemüht, beratend besorgten Menschen zur Seite zu stehen, welche hilflose Jungvögel gefunden haben.
Inhaltsverzeichnis
Im Sinne der Vögel handeln
Problematisch ist hierbei, dass nicht alle im ersten Moment hilflos erscheinenden Vögel auch tatsächlich hilflos sind. In jedem Fall gilt der Grundsatz, stets im Sinne der Tiere zu handeln.
Die richtige Strategie beim Fund eines Vogels richtet sich nach der Vogelart, dessen Alter, dem Fundort sowie etwaigen Verletzungen.
Eine übereilte Mitnahme der Tiere ist deshalb häufig folgenschwerer als nützlich. Laut Bundesnaturschutzgesetz ist es sogar ausdrücklich untersagt, Wildtiere mitzunehmen, die überhaupt nicht hilfsbedürftig sind. Zudem versteht es sich von selbst, dass die Tiere nach der Genesung wieder ausgewildert werden müssen.
Generell sind die Vögel unter nachfolgenden Voraussetzungen auf fremde Hilfe angewiesen:
- Es sind Jungvögel bzw. sogenannte Nestlinge, die noch keine Federn oder kein vollständiges Federkleid haben. Diese Tiere können noch nicht fliegen.
- Die Vögel sind verletzt.
- Die Tiere befinden sich in gefährlichen Bereichen, beispielsweise auf dicht befahrenen Straßen.
- Die Vögel sind Segler, entweder Alpen- oder Mauersegler.
In diesen Situationen benötigen die Vögel fremde Hilfe. Allerdings bedeutet „fremde Hilfe“ nicht zwangsläufig, dass Menschen die Tiere mit nach Hause nehmen müssen. Grundsätzlich gilt die Faustregel, dass Jungvögel in Obhut ihrer Eltern die höchsten Überlebenschancen haben.
Deshalb kommt ein Mitnehmen der Jungvögel oder verletzter Tiere nur dann in Frage, wenn der Vogel andernfalls keine Überlebenschance hätte.
Nestling oder Ästling?
Nestling oder Ästling? Die Antwort auf diese Frage entscheidet darüber, ob ein Vogel tatsächlich auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Beide Bezeichnungen kennzeichnen verschiedene Entwicklungsphasen von Vögeln.
Ein Nestling ist ein Jungvogel, der entweder noch gar kein Gefieder besitzt oder durch kahle Stellen noch kein komplett entwickeltes Federkleid besitzt. Diese Vögel gehören eigentlich ins Nest, um von ihren Eltern gefüttert und umsorgt zu werden.
Die Tiere sind zumeist aus dem Nest gefallen. Doch die Vögel sind noch nicht dazu in der Lage, wieder in ihr Nest zurückzufliegen oder sich anderweitig in Sicherheit zu bringen. Diese Vögel sind in akuter Not, weil sie Fressfeinden und Witterungsbedingungen schutzlos ausgeliefert sind.
Besonderheiten eines Ästlings
Ein Ästling ist hingegen ein Jungvogel, der bereits kürzere Distanzen flattern oder fliegen kann. Das Gefieder dieser Vögel ist bereits vollständig entwickelt.
Die Tiere werden bereits flügge und starten erste Flugversuche. Weil die Vögel auch außerhalb ihres Nests durch ihre Eltern umsorgt werden, sind diese – zumindest im unverletzten Zustand – nicht auf die Unterstützung von Menschen angewiesen. Deshalb ist es wichtig, die Entwicklungsphase der Vögel so gut wie möglich einzuschätzen.
Tipps zum Umgang mit einem Nestling
Im Umgang mit einem Nestling ist es wichtig, das Küken mit der Hand komplett zu umgreifen und auf etwaige Verletzungen zu untersuchen. Falls das Tier verletzt ist, sollten ihre Finder die Tiere mitnehmen, wärmen und daraufhin einem Tierarzt vorstellen.
Weil eine Aufzucht von Nestlingen sehr komplex ist, benötigen die „Tierpfleger“ umfassendes Wissen zur Pflege und Ernährung. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dass die Vögel von einer professionellen Auffangstation aufgenommen werden.
Was ist ein Ammennest?
Falls der Nestling unverletzt ist, sollte das Tier im Idealfall wieder in elterliche Obhut geraten. Hierfür ist es jedoch erforderlich, das Tier auch wieder ins richtige Nest zurückzusetzen. Tierfreunde sollten die Vögel ins Nest setzen, falls dieses gut erreichbar ist. Für den Fall ist ein Moment besonders gut geeignet, bei dem sich die Eltern nicht in direkter Nähe befinden.
Falls das Nest zerstört oder nicht auffindbar ist, hat sich die Suche nach einem Ammennest bewährt.
Dieses Nest sollte der gleichen Vogelart angehören und etwa gleich alte Jungtiere beinhalten. Mit etwas Glück nehmen die Vogeleltern das Jungtier auf und versorgen dieses mit. Hierfür bedarf es jedoch einer guten Beobachtungsgabe. Menschen sollten die kleinen Tiere nur dann mitnehmen, wenn das elterliche Nest zerstört bzw. nicht auffindbar ist oder dessen Eltern nachweislich tot sind. Fremde Hilfe von außen ist stets notwendig, falls die Kleinen verletzt sind.
Hilfreiche Erste-Hilfe-Maßnahmen
Sind die Nestlinge oder verlassene Ästlinge auf fremde Hilfe angewiesen, benötigen die Vögel zuerst Wärme. Hierfür genügt ein ausbruchsicherer Karton mit kleinen Luftschlitzen. Bei Bedarf ist eine warme Wärmflasche ebenfalls hilfreich. In dem Karton sollten die Kleinen stets die Möglichkeit haben, sich in die Nähe der Wärmequelle zu begeben oder diese wieder zu verlassen.
Zudem sollten Tierfreunde den Boden am besten mit einem Handtuch auslegen. Nachfolgende Checkliste erhöht die Überlebenschancen für die Jungvögel.
- Dem Vogel niemals vorschnell Wasser geben oder unbedacht füttern.
- In den Karton gehört kein Wasser oder Futter.
- Wasser stets an der Schnabelspitze oder Schnabelseite anbringen. Bei direkter Eingabe besteht Erstickungsgefahr.
- In den Karton gehören keine fädenziehenden Materialien oder Watte. Daran können sich die Vögel strangulieren oder abschnüren.
- Die Vögel dürfen sich an der Wärmequelle keinesfalls verbrühen oder verbrennen.
- Bei einer Wärmelampe als Wärmequelle besteht Austrocknungsgefahr.
- Eine Fütterung ist erst möglich, wenn die Vögel aufgewärmt und nicht mehr komplett geschwächt sind. Stark geschwächte oder unterkühlte Vögel können an der Nahrung ersticken.
- Eine gute Nahrungsgrundlage für nahezu alle Vogelarten sind Insekten, darunter Heimchen aus dem Zoogeschäft. Für die weitere Ernährung ist spezielles Aufzuchtfutter erforderlich.
- Der Untergrund des Kartons sollte so ausgestattet sei, dass die Vögel nicht wegrutschen können.
Jungvögel gehören in professionelle Hände
Die Aufzucht von Jungvögeln ist eine besondere Herausforderung. Die Kleinen sind auf eine umfassende Betreuung sowie Fütterung per Hand angewiesen.
Im Interesse der Tiere sollten sich deren Finder deshalb zwingend an geeignete Pflegestellen oder Auffangstationen für Wildtiere wenden.
Im Idealfall wachsen die Tiere dort gemeinsam mit anderen Jungvögeln ihrer Art auf. Dadurch reduziert sich das Risiko einer Fehlprägung auf Menschen. Durch diese Form der Pflege erhöhen sich die Chancen, dass die Tiere allein in freier Wildbahn leben können.
Alpensegler, Mauersegler, Schwalben: Tierische Sonderfälle
Gesonderte Empfehlungen gelten für Alpen- und Mauersegler oder Schwalben. Diese Vögel befinden sich unabhängig von ihrem Zustand stets in akuter Not, da diese Vogelarten nicht vom Boden aus starten können. Erschwerend kommt bei jungen Mauerseglern dazu, dass deren Eltern die Tiere nur direkt im Nest füttern. Junge Schwalben sind ebenfalls zwingend auf die Hilfe von Menschen angewiesen.