Wo früher drei bis vier Auszubildende im Jahr eingestellt wurde, ist es mittlerweile schon eine Herausforderung geworden, einen einzigen Azubi für sich zu gewinnen.
Immer weniger junge Menschen streben einen Job im Handwerk an, für die Betriebe dieser Nische bedeutet das eine extreme Ungewissheit für die Zukunft.
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Fehlendes Personal bringt Betriebe an ihre Grenzen
Dem Handwerk fehlt schon seit Jahren das notwendige Personal. Die Zahlen der Auszubildenden sinken von Jahr zu Jahr. Mittlerweile ist der Tiefpunkt erreicht, an dem das Handwerk sich gezwungen fühlt, Alarm zu schlagen, denn die Betriebe melden einen Mangel von mehr als 250.000 Fachkräften.
Das Problem ist nicht nur, dass dadurch jede Menge Arbeit liegen bleibt, sondern auch der Kampf um Nachwuchskräfte, den kleine Betriebe kaum gewinnen können.
Denn die Betriebe versuchen, um jeden Preis neue Fachkräfte zu gewinnen und scheuen vor keinem Überbietungswettbewerb zurück. Dass sich das nur die großen Unternehmen leisten können, hat weitgehende Folgen und könnte für viele kleine Firmen das wirtschaftliche Aus bedeuten.
Drastischer Rückgang
Die Handwerksverbände verzeichnen beispielsweise den folgenden, erschreckenden Rückgang der Anzahl von Auszubildenden: Im Jahr 2005 wurden 163.000 Menschen gezählt, die sich für eine handwerkliche Ausbildung entschieden. Im Jahr 2020 war die Zahl um 33.000 Menschen auf 130.000 geschrumpft. Währenddessen stieg die Anzahl an angehende Studenten um über Prozent an.
Die Tendenzen sind also deutlich: Von rund 10 Personen, die sich früher für einen Beruf im Handwerk entschieden, beginnen heutzutage ganze 6 Personen ein Studium. Insbesondere die Bereiche Bau- und Ausbau, Sanitär-Heizung-Klima, Lebensmittel und Elektro sind von den personellen Engpässen stark betroffen.
Dem Handwerk fehlt die Wertschätzung der Gesellschaft
Warum sich junge Menschen eher für ein Studium anstelle einer Ausbildung im Handwerk entscheiden, liegt unter anderem daran, dass die Bildungspolitik lange Zeit den Fokus zu stark auf die Akademisierung der Gesellschaft legte. Gleichzeitig macht der demografische Wandel generell Probleme bei der Beschaffung von geeignetem Personal. Vor allem aber spielt auch die fehlende Wertschätzung von Seiten der Gesellschaft eine große Rolle.
Wer als Sohn eines Zahnarztes oder Anwalts mit der Lehre zum Konditormeister oder Zimmermann beginnt, wird oftmals schräg angeschaut, denn in vielen Köpfen wird das als Abstieg gewertet.
Dabei ist dies ganz und gar nicht so. Weder der schulische Abschluss noch der berufliche Werdegang der Eltern sollten den eigenen Beruf beeinflussen. Erfolg und Zufriedenheit im Beruf haben wenig mit einem akademischen Grad zu tun. Wer sich also mit Abitur für einen Handwerksberuf entscheidet, kann gleiches bewerkstelligen wie ein Bachelor oder Master.
Überbietung, Abwerben und andere Methoden
Da das Problem aber schon seit langem besteht, setzen Betriebe sämtliche Hebel in Bewegung, um ihren Mangel an Personal auszugleichen. In der Praxis erfolgt dies zum Beispiel durch das Abwerben und Jagen von externen Mitarbeitern. Nicht selten tauchen Personaler oder Verantwortliche eines Betriebs auf einer Baustelle auf und werben um die dortigen Nachwuchskräfte.
Doch auch die Vergütung wird derzeit als Stellschraube genutzt. So zahlen viele Betriebe bereits weitaus mehr als es tariflich festgelegt ist. Die einzelnen Arbeitgeber überbieten sich regelmäßig, um an mehr Personal zu kommen. Gehaltserhöhungen, die nicht einmal ein ganzes Kalenderjahr zurückliegen ist nichts Seltenes. Frisch ausgelernte Gesellen werden mit zusätzlichen attraktiven Angeboten angelockt, Betriebe scheuen nicht davor zurück, diverse Boni für gute Arbeit oder wenig bis keine Krankheitstage auszuzahlen.
Neue Wege der Personalbeschaffung
Die Suche nach Nachwuchs kann in der heutigen Zeit sehr herausfordernd sein, denn junge Leute sind kaum noch über die gängigen Mittel wie Zeitung oder Auftritt auf der Homepage zu erreichen.
Zwar fanden zumindest vor Corona noch diverse Berufsinformationsmessen oder Angebote wie „Tag der offenen Tür“ in Betrieben statt, doch wer wirklich zeigen möchte, wie modern und aufgeschlossen der eigene Betrieb ist, muss sich mittlerweile andere Mittel zu Nutze machen.
Kein Wunder, dass Geschäftsführer oder Personal in Zeiten des digitalen Wandels zu Werbestrategien auf TikTok, Facebook und Instagram greifen. Bei Jugendlichen könnte dies tatsächlich bleibenden Eindruck hinterlassen.