Fast 7 Millionen Privatpersonen stecken in Deutschland tief in den Schulden. Der Ausweg ist mühsam und kompliziert. Nicht selten ist die Privatinsolvenz die letzte Rettung, da die Schulden nicht mehr vollständig abbezahlt werden können.
Mit der Gesetzesänderung der Insolvenzordnung im Jahr 2021 wurden die Hürden für ein Insolvenzverfahren herabgesetzt. Flächendeckend wurde das Verfahren auf drei statt sechs Jahre verkürzt. Außerdem entfällt auch die Mindestquote der Schulden, die gezahlt werden muss. Aber welche Auswirkungen hat eine Privatinsolvenz?
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Für wen kommt eine Privatinsolvenz in Frage?
Viele Verbraucher verbinden Schulden mit Unternehmen, Konzernen und Betrieben, die kurz vor dem Bankrott stehen. Dabei kann auch der Ottonormalbürger in eine tiefe Schuldenkrise sinken und letztendlich in der Insolvenz landen, sofern es keine anderen Möglichkeiten mehr für den Schuldenabbau gibt. Die Privatinsolvenz kommt dann ins Spiel, wenn der Schuldner die Geldsumme nicht mehr mit eigener Kraft erwirtschaften und zurückzahlen kann. Es muss also eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen.
Zusätzlich muss der Schuldner alle Anstrengungen versucht haben, sich mit seinen Gläubigern zu einigen.
Dies erfolgt in der Regel über einen Schuldenregulierungsplan. Dabei zeigen die Betroffenen ihre Überschuldung bei den Gläubigern an und versuchen in diesem Zuge außergerichtlich eine Lösung zu finden. Sofern die Gläubiger zustimmen, kommen verschiedene Möglichkeiten der Schuldenbereinigung in Betracht: Entweder die Gläubiger gewähren dem Schuldner eine Stundung, sodass die Schulden auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden oder sie stückeln sie und bestehen nur noch auf einen Teilbetrag oder aber sie erlassen die angehäuften Schulden in ihrer gesamten Höhe.
Hierbei müssen jedoch alle Beteiligten zustimmen, somit also alle Gläubiger, falls es mehrere gibt. Sobald auch nur einer der Gläubiger ablehnt, bleibt nur noch der Ausweg über die Privatinsolvenz. Nach drei Jahren endet das Verfahren und der Schuldner ist von seinen Schulden befreit. Allerdings spüren Betroffene noch lange Zeit danach die Konsequenzen der Verschuldung.
Ab wann liegt eine Überschuldung vor?
Verschuldet sich ein Verbraucher kurzzeitig, ist das noch lange nicht dramatisch, solange sich die Rückstände durch das eigene Einkommen wieder begleichen lassen. Bestehen Schulden jedoch mittel- bis langfristig, sodass eine Tilgung nicht mehr im Bereich des Möglichen liegt, weil die eigenen finanziellen Mittel stets niedriger sind, kommt es zu einer Überschuldung. Rückstände werden immer höher und lassen sich nicht mehr eigenständig ausgleichen.
Der rechtzeitige Gang zur Schuldnerberatung ist hierfür der erste und vor allem notwendige Schritt, um nicht in der Insolvenz zu landen. Je nachdem wie groß das Misere ist, reicht allerdings auch die Schuldenberatung nicht mehr aus, sodass ein Anwalt zu Rate gezogen werden muss, der den Weg zur Schuldenbefreiung ebnet.
Wie realistisch ist die Einigung mit Gläubigern?
Bevor es zur Privatinsolvenz kommt, besteht für Betroffene die Möglichkeit der außergerichtlichen Schuldenbereinigung. Dabei wird versucht, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Das bedarf jedoch eine durchdachte und sachliche Verhandlungstaktik, sowie ein transparentes und vertrauenswürdiges Auftreten.
Ob eine außergerichtliche Einigung möglich ist, lässt sich nicht pauschalisieren, denn dies kommt immer auf die Umstände, die Hintergründe und die Schuldenhöhe an.
Sollte sich einer der Gläubiger als nicht einverstanden bekennen, führt an der Privatinsolvenz nichts mehr vorbei.
Wäre eine Umschuldung denkbar?
Aus Angst vor der Privatinsolvenz versuchen Betroffene in letzter Sekunde ihre Schulden mit einem Kredit zu tilgen. Dies mag auf den ersten Blick als die richtige Lösung erscheinen, da die Schulden nun allesamt weg sind, allerdings geht ein Kredit stets mit einer dauerhaften Verbindlichkeit einher.
Die alten Schulden sind zwar weg, neue sind dadurch aber hinzugekommen – und in der Regel werden diese nicht geringer. In manchen Fällen macht die Umschuldung durchaus Sinn, jedoch erfordert auch dies eine durchdachte Herangehensweise und zeigt sich nur kurzfristig als hilfreiche Lösung des Problems.
Wie beginnt die Privatinsolvenz?
Die Privatinsolvenz wird beim Amtsgericht beantragt, indem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen offengelegt werden. In der Regel erledigt dies der Schuldenberater. Die Privatinsolvenz hat zum Ziel, den Schuldner von seinen Restschulden zu befreien, sodass dieser nach dem dreijährigen Verfahren frei von jeglichen Schulden ist.
War der Antrag erfolgreich, so wird das Verfahren durch das Gericht eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt und die sogenannte Wohlverhaltensphase beginnt. Der Schuldner hat an den Insolvenzverwalter den pfändbaren Teil seines Einkommens abzugeben. Ein Existenzminimum muss den Betroffenen jedoch erhalten bleiben. Dazu kann auch das eigene Auto zählen, wenn es für den Arbeitsweg notwendig ist. Mit dem gepfändeten Teil begleicht der Insolvenzverwalter sodann regelmäßig einen Anteil der offenen Schulden, mit dem Rest deckt er die Verfahrenskosten ab.
In der Wohlverhaltensphase müssen einige Auflagen eingehalten werden. So müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse stets offengelegt werden. Außerdem ist das Gericht über einen Arbeitsplatz- oder Wohnsitzwechsel unverzüglich zu informieren. Der Schuldner muss jede zumutbare Form der Arbeit annehmen, um die Schulden zu decken. Für den Fall, dass eine Erbschaft eintritt, muss die Hälfte des Erben abgegeben werden.
Die Wohlverhaltensphase dauert seit der Insolvenzreform nur noch drei Jahre.
Nach dieser Zeit erfolgt die Restschuldbefreiung. Dem Schuldner werden dabei all seine noch offenen Forderungen erlassen, die Gläubiger verlieren ihren Anspruch auf die Schuldentilgung. Ist die Restschuldbefreiung erfolgt, so endet auch die Privatinsolvenz. Betroffene können dann erst einmal durchatmen, denn von nun an sind sie schuldenfrei. Doch die nächste Zeit wird nicht ganz einfach werden. Für die nächsten drei Jahre ist die Privatinsolvenz in der Schufa eingetragen und wirkt sich somit negativ auf den eigenen Schufa-Score aus.
Außerdem müssen im Anschluss noch die Kosten für den Insolvenzverwalter, das Gericht und den Anwalt bezahlt werden, denn diese bleiben bestehen. Künftige Verträge werden sich nur sehr schwer abschließen lassen, da die Vertragspartner durch die Schufa-Auskunft von der Privatinsolvenz erfahren. Auch der Arbeitgeber und gegebenenfalls der Vermieter werden in die missliche Lage eingeweiht.
Dennoch ermöglicht es Betroffenen, von vorne zu beginnen und wieder bei „Null“ anzufangen. So tief man also auch in de Schulden stecken mag: Es gibt immer einen Ausweg.